Andi schaute kurz noch
einmal auf sein Tacho, bevor er langsamer
wurde:
79 innerhalb einer Ortschaft.
Das vierte mal in gleicher Anzahl von Monaten.
Wie konnte ein Typ denn so oft erwischt
werden?
Als er sein Auto auf 10 km/h abbremste fuhr Andi rechts ran.
Las den Polizisten doch wieder einmal herum moppern über
seinen
Fahrstil.
Vielleicht würde ein noch schnellerer Autofahrer an ihnen
vorbeiflitzen,
an dem der Bulle mehr Interesse hätte.
Der Polizist stieg aus seinem Auto aus, mit einem dicken Notizbuch
in der Hand.
Christian?
Christian aus der Kirche? Andi sank tiefer in seinen Sitz.
Das war nun schlimmer als der Strafzettel. Ein christlicher
Bulle
erwischt einen Typen aus seiner eigenen Kirche. Einen Typen, der
etwas
angespannt war, nach einem langen Tag im Büro. Einen Typen, der
morgen
Golf spielen wollte. Als er aus seinem Auto sprang erblickte
er den
Typen, den er jeden Sonntag in der Kirche sah. Er hatte erst nur den
Mann in Uniform gesehen.
"Hi Christian. Komisch, dass wir uns so wieder sehen!"
"Hallo Andi."
Kein Lächeln.
"Ich sehe Du hast mich erwischt in meiner Eile nach Hause zu
kommen,
um meine Frau und Kinder zu sehen."
"Ja, so ist das." Christian schien unsicher zu sein.
"Ich bin die Tage erst sehr spät aus dem Büro gekommen. Ich denke
auch, dass
ich die
Verkehrsregeln nun mehr als einmal gebrochen habe."
Andi war nervös und ungeduldig.
"Martina erwähnte etwas von Roast Beef und Kartoffeln heute Abend.
Verstehst Du, was ich meine?"
"Ich weiß, was Du meinst. Ich weiß auch, dass Du ein Gesetz soeben
gebrochen
hast."
Aua. Dies geht in die falsche Richtung. Zeit die Taktik zu ändern.
"Bei wie viel hast Du mich erwischt?"
"Siebzig. Würdest Du Dich bitte wieder in Dein Auto setzen?"
"Ach Christian, warte einen Moment. Ich habe sofort gecheckt, als
ich Dich
gesehen haben! Ich habe mich auf 65 km/h geschätzt!"
Andi konnte mit jedem Strafzettel besser lügen.
"Bitte Andi, setz Dich wieder in Dein Auto."
Genervt quetschte Andi sich durch die noch immer offene Türe. Ein
Knall.
Türe zu.
Er starrte auf sein Armaturenbrett. Christian war fleißig am
Schreiben auf
seinem Notizblock.
Warum wollte Christian nicht Führerschein und Papiere sehen?
Was auch immer der Grund war, es würde einen Monat an Sonntagen
vergehen,
bis er sich in der Kirche wieder neben diesen Polizisten setzen
würde.
Christian klopfte an die Tür. Er hatte einen Zettel in der Hand.
Andi öffnete das Fenster, maximal 5 cm, gerade genug, um den Zettel
an sich
zu nehmen. Christian gab ihm den Zettel durch.
"Danke."
Andi konnte die Enttäuschung nicht aus seiner Stimme halten.
Christian
setzte sich wieder ins Auto ohne ein Wort zu verlieren. Andi wartete
und
schaute durch seinen Spiegel zu. Dann faltete er den Zettel auf. Was
würde
ihn dieser Spaß wieder kosten?
Hej! Warte mal! War das ein Witz? Dies war kein Strafzettel.
Andi las:
"Lieber Andi, ich hatte einmal eine kleine Tochter. Als
sie
sechs Jahre alt war starb sie bei einem Verkehrsunfall. Richtig
geraten,
der Typ ist zu schnell gefahren. Einen Strafzettel, eine Gebühr und
drei
Monate Knast und der Mann war wieder frei. Frei um seine Töchter
wieder
in den Arm nehmen zu dürfen. Alle drei konnte er wieder lieb haben.
Ich hatte nur eine und ich werde warten müssen, bis ich in den
Himmel
komme, bevor ich sie wieder in den Arm nehmen kann. Tausend Mal habe
ich
versucht diesem Mann zu vergeben. Tausend Mal habe ich gedacht, ich
hätte
es geschafft. Vielleicht habe ich es geschafft, aber ich muss immer
wieder
an sie denken. Auch jetzt. Bete bitte für mich. Und sei bitte
vorsichtig,
Andi. Mein Sohn ist alles was ich noch habe".
Christian
Andi drehte sich um und sah Christians Auto wegfahren. Er fuhr
die Straße
wieder runter. Andi schaute bis er nicht mehr zu sehen war. Erst
ganze 15
Minuten später fuhr er langsam nach Hause. Er betete um Verzeihung
und zu
Hause angekommen nahm er seine überraschte Frau und Kinder in den
Arm und drückte sie ganz fest.
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